
Kernöl, Most, Schafe und Ziegen
Während ich beginne, diesen Artikel zu schreiben, stehen wir mit Mr. Kurt mitten in den Bergen Niederösterreichs und sind vollkommen „off-grid“. Und zwar nicht nur, was Strom, Wasser, Gas und Heizung angeht – darauf hatten wir uns eingestellt, wenn wir Stellplätze für autarke Wohnmobile anfahren – aber wir haben auch kein Netz. Es reicht so gerade, um einen Text per Whatsapp abzusenden, aber das war’s. Gerade für die Jungs eine vollkommen ungewohnte Erfahrung, aber dazu später mehr.
Es ist 22 Uhr, es ist stockdunkel bei sternenklarem Himmel und vollkommen still. Für heute Nacht ist Frost angekündigt. Es ist Ende Mai und wir stehen auf 660m über N.N.
Bauernleben
Wir haben zu Weihnachten das Buch von Bauernleben.at geschenkt bekommen und an diesem Wochenende, nachdem sämtliche Ausgangssperren aufgehoben wurden und die „weiße Welle“ auf die Campingplätze schwappt, wollten wir diese alternative Art des Reisens austesten. Das Wohnmobil wurde von uns bewusst so ausgestattet, dass wir einige Tage autark stehen können: Dieselheizung, Solaranlage, ein zweiter WC-Tank, ausreichend große Tanks für Wasser- und Abwasser, Winterpaket. Wir lieben es, in der Natur zu stehen und eine Infrastruktur, wie auf dem Campingplatz wollen wir einfach nicht immer haben.
Bauernleben ist ein tolles Konzept. Bauern, Wirte und Winzer stellen ihren Grund für eine Nacht für Wohnmobile zur Verfügung. Der Stellplatz ist kostenlos, aber es wird natürlich erwartet, dass die jeweiligen Produkte konsumiert werden. So bekommen die lokalen Erzeuger Kundschaft und die Gäste einen tollen Stellplatz und die Möglichkeit, sich mit regional erzeugten Produkten zu versorgen. Eine Win-Win-Situation, wie wir finden.
Der Freitag vor Pfingsten war noch mit Arbeit, Nachmittagsunterricht und einigen Basteleien an Mr. Kurt (Hubstützen, Sog-Anlage, Inneneinrichtung) voll, sodass wir erst am Samstagmittag losgefahren sind. Die Wettervorhersage war durchwachsen und wir waren auf ein verregnetes Wochenende eingestellt. So regnete es auch ergiebig und in einer Tour, als wir Wien in Richtung Nordwesten verließen. Nachdem wir am Himmelfahrtswochenende ja in Dürnstein gewesen waren, lag unser erstes Ziel jetzt ein bisschen weiter flussaufwärts.
Weltkulturerbe
Wir hatten einen Hof in der Nähe von Melk ausgewählt und uns telefonisch angekündigt. Zuvor ging es noch zum weltberühmten Stift, den wir bisher nur aus „Der Name der Rose“ und von der Vorbeifahrt auf der A1 kannten. Ein Stück Unesco Weltkulturerbe direkt in unserer Nähe, das schon lange auf unserer Liste gestanden hatte. Es gibt einen riesigen kostenfreien Parkplatz direkt am Stift. Echt top, nach dem, was wir eine Woche vorher in Dürnstein erlebt hatten. Wir machten eine kleine Rundtour und beschlossen, die komplette Besichtigung des beeindruckenden Barockbaus inklusive Führung später einmal ohne Kinder und Hund in Angriff zu nehmen. Schließlich gibt es auch einen Wohnmobilstellplatz direkt unterhalb vom Stift direkt an der Melk. Diesen besuchten wir noch zu Fuß, da wir ihn am folgenden Tag zur Ver- und Entsorgung nutzen wollten. Der Weg führte durch die wunderschöne Altstadt des Ortes hinunter zum Fluß. Hier trafen wir auf den Eurovelo 6, der auch in Wien direkt vor unserer Haustür vorbeiführt. Das wäre auch ein schönes Ziel für eine Fahrradtour.

Kürbiskerne und Lagerfeuer in Zelking
Das Wetter wurde immer besser und als wir nach kurzer Fahrt in Zelking beim Hof der Familie Gutsjahr ankamen, blitzte schon die Sonne zwischen den Wolken hervor. Wir wurden hier unglaublich nett empfangen und bezogen einen wunderschönen Stellplatz auf dem Hof. Hier zeigte sich die Stärke des Konzeptes von Bauernleben. Wir trafen auf sehr gastfreundliche, weltoffene Gastgeber, die uns herzlich empfingen. Im Hofladen deckten wir uns mit Kernöl, selbstgemachtem Most, Kürbiskernen und Eis ein. Noah hat an diesem Abend Wildschwein-Käsekrainer auf seine Favoritenliste gesetzt. Das arme Vegetarierkind ist in dieser Hinsicht ja nicht besonders verwöhnt. Hausgemachte Grillwurst direkt bei Erzeuger zu kaufen, ist aus meiner Sicht noch eine der akzeptabelsten Varianten des Fleischkonsums.
Glücklicherweise wurde das Wetter so gut, dass wir noch in der Sonne sitzen und grillen konnten und so genossen wir den Abend mit einem G’Spritztn im Freien. Unser Gastgeber versorgte und noch mit Feuerholz und wir ließen den Tag mit einem zünftigen Lagerfeuer ausklingen. Merker: Die Wandergitarre vom Segelboot im Wohnmobil deponieren!
In der Nacht begann dann die Sintflut und es regnete so ergiebig, dass selbst unsere Gastgeber überrascht waren. Wir starteten also gemütlich und es gab bei laufender Heizung selbstgebackene Brötchen aus dem Omnia, Spiegeleier und einen der besten Kaffees der Welt in Mr. Kurt, während draußen die Welt unterzugehen schien. Die Vorhersage war allerdings nicht so schlecht und wir hielten an unseren Plänen fest. Es sollte in Richtung der Berge im niederösterreichischen Alpenvorland gehen.

Bergwelten
Nach einem kurzen Stop zur Entsorgung am Stellplatz in Melk, machten wir uns auf den Weg in Richtung Mariazell. Wir wollten am Pfingstsonntag nicht in der Mittagszeit bei unseren nächsten Gastgebern stören und es regnete unaufhörlich und so legten wir auf einem Pass eine Mittagspause ein, die für ein Mittagessen, ein wenig Augenpflege, zum Lesen und für einen guten Kaffee genutzt wurde.
Die Weiterfahrt führte über abenteuerliche Schotterstraßen zu unserem nächsten Ziel in der Nähe von Schwarzau im Gebirge. Wir liefen die letzten 300m zum Hof zu Fuß. da der Gastgeber uns schon vorgewarnt hatte, dass man am Hof schlecht wenden könnte. Hier wären wir mit Mr. Kurt nie wieder rausgekommen.
Letztendlich konnten wir dort, wo wir gehalten hatten auch bleiben. Ein Platz irgendwo im Nirgendwo. Einfach wunderbar. Am Hof trafen wir auf eine freundliche Gastgeberfamilie und kauften verschiedene Sorten selbstgemachten Schaf- und Ziegenkäse. Mit den Jungs fand ich mich eine Stunde später zum Melken ein und es gab „kuhwarme“ Ziegen- und Schafsmilch, ein Zicklein zum Kuscheln und viele Eindrücke, wie alternative Lebenskonzepte aussehen können. Auf dem Vollerwerbshof gibt es regelmäßig Praktikanten aus aller Welt, die über das Netzwerk wwoof einige Zeit hier verbringen.
Den Abend verbringen wir mit Gesellschaftsspielen (es gibt ja kein Netz ;), Lesen und Blogschreiben und es zeigt sich wieder, wie richtig die Idee war, ein autarkes Wohnmobil zu kaufen. Wir stehen mitten im Wald, es ist warm, die Getränke sind kalt (selbstgebrautes Bier), wir haben gut gekocht (Pfannkuchen mit Ziegenkäse) und es fehlt uns an nichts. Was für ein wundervoller Abend.

Off-grid im Regen
In der Nacht wurde es dann frostig und zweimal sprang die Dieselheizung an, was ich aber nur aus Erzählungen weiß. Der folgende Tag, Pfingstmontag begann wieder mit einem gemütlichen Frühstück und wir fuhren gegen 11 Uhr weiter in Richtung Rax, da wir noch eine Wanderung im Höllental geplant hatten. Leider wurde das Wetter wieder zunehmend schlechter und dort, wo wir wandern wollten, gab es kein bisschen Handyempfang. Wir nutzen zum Radfahren und Wandern komoot und bisher hatte ich es nicht für notwendig gehalten, in die Pro-Version mit Offline-Karten zu investieren. Am Weichtalhaus, dem alpinen Ausbildungs- und Kletterzentrum der Naturfreunde Wien, sprachen wir mit einigen ortskundigen Wanderern und beschlossen, die Tour auf einen Tag mit schönerem Wetter zu vertagen und eine gute, alte Papierkarte der Region zu kaufen.

Auf dem Rückweg wollten wir noch zur Entsorgung und machten am Stellplatz der Rax-Talstation halt. Hier hätte es zwar die Möglichkeit gegeben, die Toilette zu entleeren, aber unser Grauwasser wären wir nicht losgeworden. Da Mr. Kurt jetzt einige Tage Pause vor sich haben würde, wollten wir alles leer haben und steuerten daher noch den Campingplatz im 23. Bezirk an. Hier wurden wir freundlich empfangen und durften selbstverständlich kostenfrei entsorgen. Das finden wir echt top!
Unser Fazit der kleinen Pfingsttour mit Mr. Kurt: Bauernleben und ähnliche Programme sind eine wunderbare Möglichkeit, das Land und die Menschen kennenzulernen. Vermutlich werden wir einen großen Teil unserer Kurztrips in Zukunft auf diese Art und Weise gestalten.


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