Südfrankreich 2020 – Teil 1
Schon im Herbst 2019 war die Idee gereift, für den folgenden Urlaub ein Wohnmobil zu mieten, um zu sehen, ob das unsere neue Art des Reisens sein könnte. Dass das als Familie funktionieren würde, da hatten wir keine Sorgen. Wir haben unzählige Nächte im Zelt und auf unserem Boot verbracht, sodass wir keine Überraschungen erwarteten. Gefahren habe ich auch schon so ziemlich alles, was Räder hat.
Ich hatte einen kleinen Wohnmobilverleih in Tulln in Niederösterreich gefunden, nachdem die großen Firmen alle irgendwie unsympathisch rüberkamen und schnell hatten wir die letzten drei Sommerferienwochen geblockt und einen 279M von Rollerteam gebucht. Dieses Modell ist bis auf ein paar Folien und die Sitzbezüge baugleich zu Mr. Kurt – sowohl Rollerteam als auch CI gehören zur französischen Trigano-Gruppe, aber das wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Überzeugt haben uns die nette, familiäre Beratung und der Schnitt des Fahrzeigs, den wir bis heute noch nicht bei vielen Wohnmobilen gefunden haben. Das Besondere ist ein Bett, das nach hinten in die Garage geklappt werden kann, sodass die Kinder jeweils eine eigene, komfortable Liegefläche von ca. 1,90 x 1,20 haben. Dieser Grundriss hat dafür gesorgt, dass nicht einmal an zwei Regentagen an der Ardèche schlechte Laune aufgekommen ist, weil man sich „aus dem Weg gehen“ konnte. Später, auf der Suche nach einem eigenen Gefährt, haben wir uns andere Schnitte nicht einmal mehr angesehen, was die Suche nicht unbedingt vereinfacht hat.
Und dann? Dann kam Covid. Und plötzlich war gar nicht mehr klar, wir das mit dem Urlaub alles funktionieren würde. Es gab unzählige Mailwechsel mit dem Vermieter, was denn die Optionen wären, wenn der Urlaub nicht stattfinden könnte. Letztendlich war die Entscheidung, mit dem Wohnmobil zu verreisen die allerbeste für 2020, aber dazu später mehr.
Also wurden Karten gewälzt, Routen festgelegt, Rat in der Südfrankreichgruppe bei Facebook gesucht und einige Campingplätze im Voraus gebucht. Wir hatten keine Lust auf Stress bei der Hintour und wollten unbedingt einige Plätze direkt am Meer haben, da wollten wir es nicht auf den Zufall ankommen lassen – Würden wir heute sicher anders machen, aber auch dazu später mehr.
Hintour
(Traunsee – Bodensee – Lac d’Annecy)
Eigentlich war geplant, das Wohnmobil am Sonntag abzuholen und montags bequem in Richtung Bodensee zu fahren, aber am Samstagmorgen hat unser Vermieter angerufen und uns angeboten, schon mittags vorbeizukommen und das Fahrzeug zu übernehmen. Da haben wir natürlich keine Sekunde gezögert und ein paar Stunden später waren wir auf dem Weg zurück nach Wien – im Wohnmobil – „Proto-Kurt“ sozusagen. Und dann ging es los. Bei gefühlten 40 Grad im Schatten den halben Hausstand im Auto verstauen, eine Führung für diverse Nachbarn machen, Wasser tanken, Bier kühlen und ein Nachtlager für die erste Nacht suchen.
Am nächsten Morgen ging es dann los und wir haben es bis an den Traunsee geschafft. Den Wohnmobilstellplatz direkt am Wasser haben wir über Park4Night gefunden und sind nicht enttäuscht worden. Die Strecke war wunderbar, der Platz war toll (mehr dazu hier) und eigentlich wussten wir schon zu diesem Zeitpunkt, dass das Reisen im Wohnmobil cool ist. Das wir keinen Strom- und keinen Wasseranschluss hatten, haben wir nicht einmal gemerkt.
Der See war eiskalt, das frischgezapfte Bier an der Surferbude auch und wir haben den ersten Abend im Wohnmobil genossen.
Am nächsten Morgen schnell Grauwasser, Toilette und Frischwasser erledigt – Eigentlich alles so wie beim Boot, wackelt nur nicht so. Also kein Problem. Dann ging es weiter über Landstraßen nach Salzburg und dann über das Deutsche Eck bis zum Bodensee in Vorarlberg. Wir waren froh über den gewonnenen ersten Urlaubstag, denn die Strecke wäre in einem Rutsch deutlich zu lang gewesen. An die Reisegeschwindigkeit im Transit mit Alkoven mussten wir uns also auch noch gewöhnen. Bei der Fahrt durch die Dachsteinregion haben wir dann noch eine echte Slapsticknummer abgeliefert: Der Kühlschrank wird durch einen Griff zugehalten, der diesen verriegelt. Hier fehlte ein Teil, aber der Vormieter hatte versicherte, dass die Tür durch den Temperaturunterschied ausreichend nach innen gezogen würde und dies kein Problem sei. Vermutlich war der am Nordkap und ist nur gerade Straßen gefahren. Jedenfalls ist uns in einer zugegebenermaßen zügig gefahrenen Kurve auf einem kleinen Paß die Kühlschranktür aufgegangen und ein Teil des Inhalts -inklusive zweier Eier- hat sich im Wohnmbil verteilt. Anhalten ist auch nicht überall einfach und je nachdem, wie die Neigung war, ist die Kühlschranktür auf- und wieder zugeschlagen. Als dann endlich eine Parkbucht da war, hat sich der Hund über die Eier auf dem Boden gefreut und wir wollten uns daran machen, das Wohnmobil zu wischen. Leider war im Oberschrank mit den Lappen auch alles durcheinandergekegelt und der Vermieter hatte auf Gläser eines großen schwedischen Möbelhauses gesetzt. Falls es jemanden interessieren sollte: Diese sind härter als die Abdeckeckung von Wohnmobilgasherden aus Einscheibensicherheitsglas. Die ist jedenfalls in tausend Stücke zersprungen und wir hatten eine Mischung aus Eigelb und Glas im gesamten Küchenbereich verteilt. Also Kinder und Hund spazieren geschickt und erstmal Großreinemachen. Das Trinkglas hat übrigens bis zum Ende des Urlaubs überlebt.
Die Urlaubsstimmung konnte diese Aktion jedenfalls nur kurz trüben und wir kamen langsam von meinem „Arbeits-Österreich“ ins „Urlaubs-Österreich“. Wir hatten einen Platz bei Camping Weiss in Bregenz gebucht. Ein familiär geführter, großer Platz, an dem wir zuerst einmal mit selbstgebranntem Schnaps versorgt wurden. Nachdem wir uns auf einen ruhigen Platz verständigt hatten (das ist im Ländle für mich schwerer als in Frankreich ;), haben wir Quartier vor einem imposanten Maisfeld, weit weg von allen Anderen bezogen. Das ist der Vorteil am Wohnmobil in Pandemiezeiten. Was allerdings auf dem Zeltplatz los war, kann man einfach nur als unverantwortlich bezeichnen. Hier haben einige Jugengruppen versucht, das nächste Superspreader-Event mit Unmengen von Alkohol zu verhindern. Wir waren weit genug davon weg und daher war der Platz für uns ok.
Am nächsten Tag ging es dann weiter: einmal quer durch die Schweiz und nach vielen Kilometern am Genfer See dann endlich nach Frankreich. Wir haben eine kleine Grenze auf der Nebenstrecke gewählt, weil hier der nächste Automat für die französische Simkarte ausgewiesen war, die wir uns vorher ausgesucht hatten. Unsere Kinder haben Tarife, die nur innerhalb Österreichs LTE haben, daher war dies ein Thema, welches mitentscheidend für den Erfolg des Urlaubs war (mehr zum mobilen Netz in Frankreich hier). Natürlich hatten wir uns vorher auch um eine automatische Mautlösung (mehr hier) und die französische Umweltplakette gekümmert (mehr hier).
Danach folgte eine traumhafte Strecke mit Blick auf den Mont Blanc und es kam so richtig Urlaubsstimmung auf. Weniger traumhaft war dann die Strecke am Lac d’Annecy, hier ging es bestimmt eine Stunde im Stop ’n‘ Go an der Uferstraße entlang. Wir hatten bei Camping Europa für eine Nacht reserviert. Das war die teuerste Nacht des gesamten Urlaubs und letztendlich haben wir uns geärgert, dass wir nicht einfach einen der Wohnmobilstellplätze angefahren haben. Die französische Camper-Infrastruktur hatten wir einfach unterschätzt. In der Nähe des Campingplatzes gab es mindestens fünf Stellplätze.
Während die Kinder sich um den Hund gekümmert haben, sind Sandra und ich ins Dorf gelaufen, um für den ersten Abend in Frankreich standesgemäß einzukaufen: Baguette, Wein, Käse…und ein schnelles Kronenbourg auf dem Carrefour-Parkplatz – es war dermaßen heiß. Nach dem Abendessen ließen wir den ersten Abend in Frankreich dann am Seeufer ausklingen.
Mittlerweile war eine gewisse Routine eingekehrt und jeder wusste, was beim Auf- und Abbau zu tun war. Wir haben kaum eine halbe Stunde mehr benötigt, um alles fahrbereit zu machen. Eine weitere „Baustelle“ am Wohnmobil machte sich bemerkbar. Das Gestell des klappbaren Betts an einer Seite war wohl vom italienischen Monteur kurz vor der Mittagspause angespaxt worden. Jedenfalls waren die Schrauben ausgerissen, die Halterung locker und wir hatten nicht das passende Werkzeug dabei, um das in den Griff zu bekommen. Und das bei einem Fahrzeug mit gerade mal 4000km auf der Uhr. Der Vermieter nahm es gelassen, scheinbar gehört das dazu. Die Halterung war bis zum Ende des Urlaubs komplett lose, aber wenn man beim Auf- und Abbau aufpasste, stellte dies kein Problem dar.
Es ging weiter über französische Autobahnen durch Grenoble in Richtung Provence. Und bei jeder Mautstation die Frage: „Meinen die das wirklich ernst mit der 30er-Spur?“, „Meint ihr, die Schranke geht echt auf?“. Kleiner Spoiler: Bei der Einfahrt hat es immer geklappt, bei der Ausfahrt zweimal nicht. Dies war dann mittels Kreditkarte und den freundlichen Vinci-Mitarbeitern am anderen Ende der Leitung aber auch kein Problem. Das Ziel war Avignon. Hier wollten wir zwei Nächte bleiben und spätestens als wir den Mont Ventoux am südöstlichen Horizont auftauchen sahen, waren wir so richtig im Urlaub.
Die Verkehrsführung durch Avignon hat Potenzial für eine Ehekrise, aber das konnte uns im Urlaub natürlich nicht aus der Ruhe bringen. Nachdem wir dreimal die Rhone auf derselben Brücke überquert hatten, haben wir die richtige Spur gefunden, die uns zum Campingplatz auf der Île de la Barthelasse geführt hat. Und, was soll man sagen? Das ist echt der Knaller. Der Platz ist wunderschön, es war nicht allzuviel los und wir hatten einen Stellplatz mit Blick auf den Papstpalast und die Altstadt. Diese Aussicht kann kein Hotel bieten. Nebenan campierte ein britischer Fahrradfahrer, der von Bordeaux nach Marseille fahren wollte und hoffte, dass er das vor den großen Coronasperren im Süden schaffte. Er war so platt, dass er nicht einmal ein kühles Bier haben wollte.
Den nächsten Tag haben wir mit Sightseeing in Avignon verbacht („masque ta geule“). Eine kostenlose Fähre brachte uns direkt vom Hinterausgang des Campingplatzes in die Altstadt. Hunde sind hier eigentlich verboten, aber manchmal hilft es, wenn man in guter Alman-Tradition so tut, als ob man nur deutsch lesen kann, wie die meisten Landsleute. Zurück sind wir dann über die Brücke gelaufen, was nur unwesentlich länger dauerte.
Am Abend sind Sandra und ich dann noch einmal mit den E-Scootern der Kids in die Stadt gefahren. Zum einen sollten hier nach Einbruch der Dunkelheit die Lichtinstallationen des Helios-Festivals zu bewundern sein, zum anderen hatte ich in irgendeinem französischen Blog gelesen, dass es hier eine Craft-Bier-Kneipe mit mehr als 150 Sorten Bier im Ausschank gibt. Wenn das kein Grund ist. Jedem, der Lust an Bierkultur hat, sei das Gambrinus ans Herz gelegt. Etwas außerhalb des touristischen Avignons kann man hier an der Kopfsteinpflasterstraße draußen sitzen und sich durch eine unglaubiche Bierkarte trinken. Unser absoluter Favorit war das Rosmarinbier von L’IMPRÉVUE. Es war wirklich nett und ich habe noch eine kleine Führung durch das Gasthaus bekommen.
Im Anschluss haben wir in tropischer Nacht sämtliche Installationen des Helios-Festivals besucht. Tolle Licht-, Sound- und Kunstinstallationen, die den ganzen Sommer über kostenlos zu bewundern sind.
Wir haben zwei wunderbare Tage in Avignon verbracht und diese Stadt hat uns bestimmt nicht zum letzten Mal gesehen. Ein wirklich tolles Flair.
Am nächsten Tag sollte es dann endlich in Richtung Meer gehen.
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